Beherzte Erneuerung

Vom Umgang mit Alleen in der Gartendenkmalpflege der DDR

erstmals veröffentlicht in: Lehmann/Rohde (Hg.): Alleen in Deutschland, Leipzig 2006, S. 202-209.

„Der Tod geht um“, sagte man Hermann Schüttauf infolge seiner Plenterungsarbeiten in den historischen Gärten Dresdens nach. Die durchgreifende Regeneration historischer Gehölzbestände trug dem Gartenarchitekten in der Öffentlichkeit den Ruf eines „Holzhackers“ und „Vandalen“ ein. Dessen ungeachtet setzte er sich kontinuierlich für die Erhaltung und Erneuerung der überalterten Einzelbäume, Baumgruppen und von Alleen ein. Die Gehölze, so betonte er, seien aufgrund ihrer raumbildenden Wirkung die erste und dringendste Aufgabe bei der „Pflege und Erhaltung der historischen Gärten und Parks“ – der Begriff Gartendenkmalpflege war seinerzeit noch nicht gebräuchlich.
Nach seiner Entlassung als Gartendirektor der Staatlichen Schlösser- und Gärtenverwaltung in Dresden im Januar 1949 freiberuflich tätig, machte sich Schüttauf nicht zuletzt um die Erneuerung lückenhafter bzw. abgängiger Alleen in historischen Anlagen in der DDR verdient. Er konnte bei der Lösung dieser Aufgaben auf Erfahrungen zurückgreifen, die er in der Gartendirektion vor allem bei der Wiederherstellung des Barockparks Großsedlitz seit den frühen 1930er Jahren gesammelt hatte. Zu den dort gewonnenen Erkenntnissen gehörte es, hochwertiges Pflanzenmaterial aufzuschulen oder vorzuhalten, um bei einer notwendigen Verjüngungsmaßnahme entweder komplett oder in größeren Teilabschnitten vollkommen neu pflanzen zu können. Einen Ersatz einzelner Exemplare hingegen hielt Schüttauf für wenig erfolgversprechend, da der geschlossene Charakter einer Allee dabei verloren gehe. „Ich halte es aber nicht für richtig, wenn man an alten Alleen nun nach gärtnerischer Art Nachpflanzungen vornimmt, die ja nie das Ziel erreichen können ...“, unterstrich er in einem Vortrag im Jahr 1955. Er stand damit in der Tradition der Begründer einer staatlichen Gartendenkmalpflege aus der Zeit der Weimarer Republik - etwa seines Zeitgenossen Georg Potente, der sich in Sanssouci und anderen Anlagen der grundlegenden Erneuerung von Alleebeständen verdient gemacht hatte.
Kontinuierlich trat Schüttauf gegen die verbreitete Fehlentwicklung auf, Gärten „in Schönheit sterben“ zu lassen. 1963 schrieb er in Anspielung auf das Goethe-Wort vom „Stirb und Werde“ der Natur: „Wir müssen uns auch über den Wachstumszustand unserer Parke Klarheit verschaffen und für eine immerwährende Regeneration, für das ‚Stirb und Werde’ Sorge tragen. Nicht abfinden aber dürfen wir uns damit, etwa aus einer romantischen Einstellung heraus, daß diese alten Gärten ‘in Schönheit’ sterben.“ In einem Gutachten über die Landschaftsparks in Weimar machte er im Jahr 1957 deutlich, es könne nicht darum gehen, „den einzelnen schönen Baum, die reizvolle Baum- oder Gebüschgruppe vom Standpunkt des Pflanzenliebhabers, des Naturschützlers oder des Dendrologen aus zu betrachten und zu behandeln“. Vielmehr seien hier „einzig und allein die Gesetze der Kunst, des Stiles, der Raum- und Bildwirkungen, der Sicht- und Blickbeziehungen die Richtlinien“. Die Bemühungen seien demnach „zunächst ausschließlich auf die Gehölzbestände zu konzentrieren“, wobei „von allgemeinen, zunächst als schmerzlich empfundenen Operationen nicht zurückgeschreckt werden darf.“
Er selbst scheute sich nicht, solche beherzten, in der Öffentlichkeit mit Skepsis und Protest verfolgten Eingriffe vorzunehmen. Bereits im Jahr 1950 regte er im Barockpark Lichtenwalde bei Chemnitz die Auswechslung der lückenhaften Schlossallee an. Die Verjüngung sollte in mehreren Abschnitten erfolgen, wobei auch auf die inzwischen nachgepflanzten, kümmernden Bäume zu ersetzen seien. Anstelle der bestehenden Ahornbäume sollten Linden zum Einsatz kommen, um Ermüdungserscheinungen des Bodens zu begegnen. Auch der mittelsächsische Rokokogarten Sahlis verdankte Schüttauf im Jahr 1961/62 die komplette Auswechslung seiner rahmenden Alleen. Die Reihe von Beispielen aus dem mitteldeutschen Raum, in denen Schüttauf auf diese Weise aktiv geworden war, ließe sich weit fortsetzen. Eine Grenze zwischen freiberuflicher und freiwilliger Tätigkeit ist dabei schwer zu ziehen: Unermüdlich ist Schüttauf noch im höheren Alter auch unbezahlt tätig gewesen.

Größeren Umfang nahm die Erneuerung einer mehrreihigen Kastanienallee in den Kuranlagen von Bad Lauchstädt ein, welche leider das letzte Werk Schüttaufs bleiben sollte: Der Gartenarchitekt verstarb im Februar 1967. Mitte der 1960er Jahre war er von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der Klassischen Deutschen Literatur in Weimar, denen Bad Lauchstädt unterstand, mit der umfassenden Sanierung der Kuranlagen beauftragt worden. Nach Entwurfszeichnungen von J. W. Chryselius wurden 1966 bis 1968 nicht nur die weit geschwungene Kolonnadenfront mitsamt ihren illusionisti¬schen Architekturmalereien wieder hergestellt, sondern auch die Allee vor den Kolonnaden neu bepflanzt. Heute können die Alleepflanzungen Hermann Schüttaufs, der im Februar 1967 starb, vielerorts in ihrer angestrebten Größe und Geschlossenheit erlebt werden.
Auch wenn sie ihm zugeschrieben wurde, ging die Verjüngung der „Maillebahn“ im Schlossgarten Dresden-Pillnitz nicht auf Schüttaufs Initiative zurück. Im April 1955 betonte dieser auf einer Tagung in Dessau, er sei vor der Fällung der Kastanien-Allee nicht zu Rate gezogen worden. Gleichwohl befürwortete er das Vorgehen aber grundsätzlich: „Ich halte diese Maßnahme für richtig.“ Bereits im November 1952 hatte man in Pillnitz feststellen müssen, dass ein großer Teil der Rosskastanien altersschwach geworden war und eine ernste Gefahr für die Besucher darstellten. Sturmschäden und vereinzelte Entnahmen hatten Lücken in die Allee gerissen; Nachpflanzungen gediehen nur kümmerlich und führten zu einem unregelmäßigen Erscheinungsbild. Ein Gutachter legte Hans Nadler, Leiter der Dresdener Arbeitsstelle des Instituts für Denkmalpflege, bereits zu diesem Zeitpunkt nahe, „ob nicht die sogenannte Hauptallee eingeschlagen werden kann und eine Neubepflanzung erhält.” Das Gartenamt der Stadt Dresden, welchem der Park seit Auflösung der Schlösser- und Gärtenverwaltung unterstand, ließ die Allee schließlich im Winter 1953/54 roden. Bei einer Begehung im März 1954 mit Vertretern der Stadt stimmten das Institut für Denkmalpflege sowie Hermann Schüttauf einer Neuanpflanzung „gezwungenermaßen“ zu, „um den Anblick einer ‘geflickten’ Allee zu vermeiden.”
In der Öffentlichkeit erfreuten sich derartige Maßnahmen damals wie heute keiner Popularität. Die plötzliche Beseitigung des gewohnten Zustandes einer wenn auch „altersschwachen“ Allee war in der Regel ein Schock; die Erneuerungsabsicht zunächst nur schwer vermittelbar. Befördert durch die Zerstörungen während des Krieges sowie die Vernichtungen der Nachkriegszeit, war das Verständnis für pflegende Eingriffe in die Gehölzsubstanz der Gärten und Parks seinerzeit vielleicht besonders gering. So beschwerte sich nach dem Einschlag in die Pillnitzer Maillebahn ein Dresdener Bürger beim Institut für Denkmalpflege in bitterem Ton: „Dresden ist fast völlig vernichtet. Uns ist nur die schöne Umgebung geblieben und auch die wird vernichtet. Die herrliche Kastanienallee, die im Schlosspark zu Pillnitz auf das Schloss führte, ist nicht mehr.” Allerdings ließ die in mehreren Abschnitten erfolgte Verjüngung der Allee die Proteste schnell der Anerkennung weichen. Aufgrund der Verwendung kräftiger, 13jähriger Ersatzpflanzen von Aesculus hippocastanum – es wurde kein Artenwechsel vorgenommen - trat schon nach kurzer Zeit die angestrebte räumliche Wirkung ein.
Die Erneuerung der Maillebahn von Pillnitz erlangte Vorbildwirkung für andere historische Anlagen und half, Kritiker und Gegner von ähnlichen Maßnahmen zu überzeugen. Auch Willy Kurth schwebte als Generaldirektor der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci zu dieser Zeit die Erneuerung von überalterten und von Grundwasserabsenkungen gezeichneten Alleen in den Gärten seines Verantwortungsbereiches vor. Sich der besonderen Schwierigkeit dieser Aufgabe offenbar bewusst, zog der Kunsthistoriker im Herbst 1959 den Rat mehrerer Landschaftsarchitekten und Dendrologen wie Georg Pniower, Walter Funcke und Günther Bickerich hinzu. Die Fachleute lehnten übereinstimmend eine Einfügung von Einzelbäumen in Alleen ab, um deren Einheitlichkeit zu wahren. Mehrere plädierten bei der kompletten Verjüngung überdies für alternative Arten, um veränderten Umwelt- und Standortbedingungen sowie der Auszehrung des Bodens zu begegnen.
Nachdem Kurth als Autodidakt in gartendenkmalpflegerischen Fragen im Jahr 1959 in dem Landschaftsarchitekten Harri Günther als neuem Gartendirektor einen berufenen Nachfolger gefunden hatte, nahmen die längst überfälligen Allee-Erneuerungen in den 1960er Jahren Gestalt an. Günther ließ unter anderem die hoch aufgeschossene Lindenallee, welche die zentrale Sicht auf die Terrassen mehr verdeckte als betonte, sowie die sich anschließende Kastanienallee zum Grünen Gitter vollständig ersetzen. Nach der Rodung erfolgte eine Zwischeneinsaat mit Lupinen, um den Boden vorzubereiten. Anschließend wurden starke, ausgesuchte Bäume „ohne Ballen, ohne Rückschnitt und ohne Pfähle“ gepflanzt, wie Jürgen Jäger im September 1967 erstaunt notierte. Dennoch waren diese Maßnahmen von baldigem Erfolg. Anstelle der Linden vor der Großen Fontäne wurde Ahorn gewählt, um der erwähnten Theorie von einem Artenwechsel zu folgen. Im Neuen Garten erfuhr die Zugangsallee aus Pyramideneichen eine grundlegende Erneuerung.

Im Schlosspark Rheinsberg, wo sich die Entwicklung des Fachgebietes Gartendenkmalpflege in der DDR besonders augenfällig widerspiegelt, vermögen gerade die Alleen eine wechselvolle Geschichte zu erzählen. Neben der in ost-westlicher Richtung verlaufenden Querallee verdient hier die Nord-Süd-Allee aufgrund ihrer Eigenart besondere Beachtung. Wie in vielen anderen Parks und Gärten hatte das jahrzehntelange Unterlassen von durchgreifenden Pflege- und Regenerationsmaßnahmen auch hier eine so starke Überalterung der Gehölzbestände bewirkt, dass die Allee zu Ende der 1950er Jahre nicht mehr gefahrlos begangen werden konnte. Harri Günther vermerkte nach einer Besichtigung im Oktober 1959, der Pflegezustand des Parkes sei „äußerst mangelhaft“ und regte an, die Hauptallee neu zu bepflanzen. Auch Hugo Namslauer, als Landschaftsarchitekt in der Berliner Zentrale des Instituts für Denkmalpflege für die Gartendenkmale in der DDR zuständig, vermerkte im November 1962: „Sollten die aufgewendeten Bemühungen im richtigen Verhältnis zum erhofften Erfolg stehen, so muß die Allee von Grund auf erneuert werden.“ Anstelle des bestehenden und historisch belegten Rhythmus’ in der Allee aus Linden und Fichten plädierte Namslauer für eine einheitliche doppelreihige Bepflanzung aus Rosskastanien. „Um den wachstums-hemmenden Erscheinungen einer eventuellen ‚Bodenmüdigkeit’ bei einseitiger Nutzung des Bodens zu begegnen, wurde hier beschlossen, vom bisherigen alternierenden Rhythmus Linde-Fichte abzugehen und die Neupflanzung mit der Roßkastanie durchzuführen.“ Möglicherweise waren auch ästhetische Überlegungen ausschlaggebend, den in der Tat sonderbaren, jedoch hohen Zeugniswert besitzenden Rhythmus aus Laub- und Nadelgehölzen in der Allee zu negieren. Im Winter 1964/65 wurde schließlich die Nord-Süd-Allee eingeschlagen und anschließend nach den Plänen Namslauers bepflanzt.
Ebenfalls ab Mitte der 1970er Jahre – nicht zuletzt das europäische Jahr des Denkmalschutzes hatte auch in der DDR einen Aufschwung derartiger Aktivitäten bewirkt – erfuhr auch der Barockpark Großsedlitz bei Dresden seine überfällige, von Hermann Schüttauf bereits zwanzig Jahre zuvor geforderte Regeneration. Namentlich die beschnittene Linden-Allee, welche die Achse des Orangerieparterres über die „Stille Musik“ mit großzügiger Geste in die Landschaft hinaus verlängert und so den raumgreifenden barocken Gestaltungsanspruch deutlich macht, erfuhr nun eine grundlegende Verjüngung. Im April 1976 wurde die Allee nach eingehender Prüfung durch die Fachleute des Instituts für Denkmalpflege in Berlin und Dresden sowie die Gartenverwaltung in Großsedlitz, vertreten durch den Landschaftsarchitekten Rainer Herzog, gefällt und anschließend neu aufgepflanzt.
Bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre hatte auch die Herkules-Allee im Großen Garten in Dresden einen kompletten Austausch; Anfang der 1970er Jahre folgten ihr die stadtseitigen Hauptalleen nach. Die Rodung und Neupflanzung der mehrere hundert Meter messenden Linden-Alleen war von einer Dimension, welche auf der Seite der Bundesrepublik in der Erneuerung der Herrenhäuser Allee in Hannover eine Parallele fand. Unter den Bedingungen des wirtschaftlichen Mangels in der DDR, wo schon die Beschaffung einiger weniger Bäume gleicher Art in annehmbarer Qualität zum schier unlösbaren Problem werden konnte, ist diese Leistung um so höher zu bewerten. Die städtebauliche Bedeutung der Herkules-Allee, welche infolge der Kriegszerstörungen und der Dresdener Nachkriegsplanungen nun einen direkten Bezug zum Rathausturm und der Innenstadt besaß, dürfte deren umfassende Erneuerung befördert haben.
Dresden lieferte mit den genannten Maßnahmen bedeutende Beispiele des in der Gartendenkmalpflege der DDR weithin durchgesetzten Grundsatzes, dass die Verjüngung von Alleen – wenn notwendig - mit aller Konsequenz zu erfolgen habe. In der Tradition Hermann Schüttaufs stand bei der Entscheidung über eine „abgängige“ Allee nicht der einzelne Baum, sondern die Allee als Ganzes zur Debatte, die in ihrer Eigenschaft als Raum bildendes Gestaltungselement bewertet wurde. Detlef Karg und Krista Gandert schrieben in ihrem theoretisch-methodischen Leitfaden „Denkmale der Landschafts- und Gartengestaltung“ im Jahr 1979 zum Umgang mit Alleen: „Hier muß bei einer notwendigen Verjüngung, der eine eingehende Prüfung über den Zustand vorausgehen muß, ein genereller Einschlag erfolgen, um eine einheitliche Entwicklung der Einzelbäume zu garantieren.“
Allerdings sollte diese Nachpflanzung nur ein gutes Jahrzehnt bestehen bleiben. Als ab Mitte der 1970er Jahre gartendenkmalpflegerische Bemühungen in der DDR einen Aufschwung erlebten, Namslauer in der Zentrale des Instituts für Denkmalpflege Verstärkung durch die Landschaftsarchitekten Krista Gandert und Detlef Karg erhielt und exakte wissenschaftliche Maßstäbe und Methoden zur Durchsetzung gelangten, machte Detlef Karg den durch historische Quellen begründeten Vorschlag, es solle in der Nord-Süd-Allee der „charakteristische Wechsel von Nadel- und Laubgehölz wieder in Erscheinung treten“. 79 Rotfichten, eigens aus Hohenstein-Ernstthal beschafft, wurden nun in Wechsel zu den Laubbäumen gebracht. Aufgrund des Mangels an Baumschulmaterial in der DDR mussten die Rosskastanien dabei zunächst einbezogen werden. Erst nach 1990 konnten diese Pflanzungen, wie bereits 1976 beabsichtigt, mit Linden ausgeführt werden.

Man darf den genannten Fällen bescheinigen, dass die schmerzhafte Entscheidung zur kompletten Fällung und Neupflanzung einer in ihrem gewohnten Erscheinungsbild geschätzten, gleichwohl altersschwachen Allee nicht leichtfertig und ohne Not getroffen worden war. Nach einem meist sorgfältigen Abwägungsprozess fiel die Entscheidung zu einem Ersatz immer „gezwungenermaßen“, wie es in Pillnitz bereits 1954 hieß. In diesem Sinne plädierte auch Jürgen Jäger, dem die historischen Gärten in und um Weimar anvertraut waren, für eine komplette Erneuerung immer erst dann, wenn die Bäume insgesamt stark überaltert waren und der Charakter der Allee nicht mehr erlebbar war.
Waren derartige Grundsätze weitgehend Konsens unter den Gartendenkmalpflegern in der DDR, entbrannten Diskussionen hingegen immer wieder um die Frage, ob eine Allee in der gleichen Art verjüngt werden konnte oder nach einem Artenwechsel verlangte. Detlef Karg plädierte aufgrund der gebotenen Treue gegenüber der historischen Überlieferung grundsätzlich dafür, Nachpflanzungen am exakt gleichen Standort und in der möglichst gleichen Art vorzunehmen. Die guten Erfahrungen bei den Allee-Erneuerungen in Pillnitz und im Großen Garten Dresden lieferten Argumente für diese Auffassung. In der bereits zitierten Schrift „Denkmale der Garten- und Landschaftsgestaltung“ von 1979 sahen Karg und Gandert einen Artenwechsel als biologisch bedingte Ausnahme an, da der Gesamtcharakter der Anlage wesentlich durch das Pflanzenmaterial bestimmt werde. „Ein Artenwechsel wird daher nur aus biologischen Erwägungen (Bodenmüdigkeit) vorgenommen.“
Aus Gründen der Bodenmüdigkeit hatte die Gartendirektion Potsdam-Sanssouci beispielsweise gegen Ende der 1980er Jahre anstelle alter Linden im Schlossgarten Lindstedt rotblühende Rosskastanien eingesetzt. Karl Eisbein beispielsweise machte in seiner langjährigen Tätigkeit als Leiter des Parkes Potsdam-Babelsberg die Erfahrung, dass manche Arten durchaus die Nachfolge der gleichen Art vertrugen, andere hingegen nicht. Helmut Rippl, als Landschaftsarchitekt verantwortlich für die Gartendenkmale im Bezirk Cottbus, vertrat ebenfalls die Ansicht, dass zum Beispiel Linden, Buchen, Erlen und Robinien in der gleichen Art nachgepflanzt werden könnten, während andere dies nicht vertrugen. Die Diskussion um die richtige Artenwahl trat bei der Erneuerung einer Kastanienallee im Schlosspark Ballenstedt am Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre noch einmal offen zu Tage. Die ursprünglich gepflanzten Esskastanien wurden hier durch rotblühende Rosskastanien ersetzt. Reinhard Schelenz, als Landschaftsarchitekt im Institut für Denkmalpflege in Halle mitverantwortlich für diese viel diskutierte Entscheidung, versuchte sie 1993 mit historischen und gestalterischen Argumenten zu begründen. Pro und Kontra zu diesem Thema waren auch Ende der 1980er Jahre bei Verjüngungsmaßnahmen in der Kolonie “Alexandrowka“ in Potsdam virulent - längst waren auch bedeutsame Alleen außerhalb historischer Parks und Gärten Gegenstand gartendenkmalpflegerischer Tätigkeit geworden. In Alleen der Kolonie wurde ein Artenwechsel vorgenommen, gegen den das Institut für Denkmalpflege in Berlin Einspruch erhob.
Mit dem Erwachen einer Umweltbewegung in der DDR der 1980er Jahre, welche auf den ungebremsten Raubbau durch Industrie und Landwirtschaft reagierte, schlug offenbar auch in der Gartendenkmalpflege die Haltung in Fragen der Alleen-Regeneration allmählich in Richtung einer vorsichtigeren Verfahrensweise um. In einem Gutachten zur Erneuerung der überalterten Belvedere-Allee, welche des Stadtzentrum Weimars mit dem Belvedere-Park verbindet, plädierte Harri Günther im Jahr 1981 für Differenzierung. Nach eingehender Analyse kam er zu dem Schluss: „Die Belvedere-Allee ist eine zu ehrwürdige, sowohl gartengeschichtlich als auch kulturpolitisch bedeutsame Baumpflanzung, als daß ein generelles Urteil über rd. 450 Bäume gefällt werden sollte.“ Ein Teil der Altbäume sollte man, so Günthers Empfehlung, abschnittsweise sofort ersetzen. Für die verbleibenden Bäume seien Pflege- und Kontrollmaßnahmen einzuleiten. „Je intensiver die Pflege, um so lebenskräftiger wird der Baumwuchs sein und den künftigen Bewohnern Weimars Freude an der Belvedere-Allee gewähren, deren wehmütigen Abgesang zu erleben wir gezwungen sind.“
Deutet auch das Gutachten Günthers ein Umdenken im Verlauf der 1980er Jahre an, so scheint aus heutiger Sicht die Erneuerung von Alleen in der Gartendenkmalpflege der DDR in vielen Fällen mit besonderer Konsequenz vollzogen worden zu sein. Diese Feststellung legt die Frage nach den Gründen nahe: Warum war die umfassende Erneuerung von Alleen in historischen Gärten DDR in dieser Weise und in diesem Umfang möglich? Der Mangel an hochwertiger Baumschulware und Maschinen sowie spezialisierten Fachfirmen stand der skizzierten Entwicklung doch wohl eher entgegen. Trotz geringer ökonomischer Grundlagen, welche in zahlreichen historischen Gärten entsprechende Erhaltungsmaßnahmen unterband, können heute in vielen Anlagen Ostdeutschlands die Ergebnisse dieser Tätigkeit in Form geschlossener, einheitlicher Alleen erlebt werden.
Die nahe liegende Antwort, dass in einem autoritären Regime derart durchgreifende Maßnahmen leichter möglich seien als unter den Bedingungen der Demokratie, mag für diese Entwicklung in der Summe eine Erklärung sein – bei der näheren Betrachtung der Einzelfälle allerdings gerät sie leicht zu einem pauschalen Urteil. In der Tat war etwa die radikale Verjüngung der Pillnitzer Maillebahn wohl nur so schnell möglich geworden, weil sich die Stadt Dresden als Rechtsträgerin ohne große Diskussion gleichsam ‚über Nacht’ die Allee zu fällen wagte. In vielen Fällen wird aber auch deutlich, dass die machthabenden Funktionäre des SED-Staates an den beschriebenen Erneuerungsmaßnahmen kein Interesse hatten. Wie das Anliegen der Gartendenkmalpflege insgesamt, mussten sie häufig gegen deren Willen durchgesetzt werden – obgleich der Staat nach dem Erfolg der Maßnahmen sie durchaus zu seinem eigenen Renommé zu nutzen verstand.
In Rheinsberg beispielsweise, wo schließlich die schrittweise Restaurierung nicht nur der Alleen, sondern des gesamten Schlossparks nach wissenschaftlichen Maßstäben gelang, sah sich Detlef Karg im November 1974 zu einem Protestschreiben an den Rat des Bezirkes Potsdam gezwungen. Karg beklagte die „Ignoranz, mit der man sich über die Tätigkeit vieler Beteiligter hinwegsetzt“, argumentierte mit dem internationalem Rang der Anlage sowie dem „Wählerauftrag“ des Rates, um schließlich mit einer Staatsratseingabe zu drohen: „Ich würde mich dann veranlaßt sehen, die Entwicklung um die Bemühungen für die Rekonstruktion des Parkes Rheinsberg von 1969 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt darzustellen.“ Mit Verweis darauf, „was dieser Schritt für alle Beteiligte bedeuten würde“, konnte schließlich die Rücknahme des „Neins“ des Rates des Bezirkes zu den geplanten Restaurierungsmaßnahmen erstritten werden.
Derartige Vorgänge belegen die Schwierigkeiten, unter denen in autoritären Verhältnissen die Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen an Alleen durchgesetzt werden mussten. Es bedurfte der Courage der Akteure, um die Erneuerung der überalterten Alleen sowohl ‚nach oben’ als auch ‚nach außen’ zu verteidigen. Der Landschaftsarchitekt Georg Pniower erkannte bereits 1955: „Die schwierigste Aufgabe, die vor uns liegt, ist es, die öffentliche Meinung für uns zu gewinnen, und zur öffentlichen Meinung rechne ich gewisse Behörden und gewisse Denkmalspfleger.“ Pniower spielte mit letzterem auf die konservativen Auffassungen innerhalb des Natur- und Denkmalschutzes an und unterstrich: „Dieser Schutz muß ein entwickelnder sein.“ In Bezug auf Alleen bedeutete dies, sie in ihrer Dynamik zu respektieren und der Verjüngung zu unterziehen, wenn sie überaltert waren, ohne dabei mit dem Naturschutzrecht zu kollidieren.
Auffassungen zu Naturschutz und Landeskultur, wie sie Pniower vertrat, mussten in der DDR allerdings noch lange auf eine juristische Durchsetzung warten. Das Naturschutzgesetz vom 4. August 1954 widersprach pflegenden Eingriffen in Gartendenkmale, welche besonders im ländlichen Raum häufig unter Naturschutz standen. Eine Erneuerung von Alleen konnte aufgrund der Festlegung in § 1, Abs. (3) nicht vollzogen werden, da hier untersagt wurde, Pflanzen zu beschädigen, zu entnehmen oder Teile von ihnen abzutrennen. Lediglich eine „Zentrale Naturschutzverwaltung“ sollte Ausnahmen zulassen können. Infolge dieser Problematik wurde 1963 auf Initiative Schüttaufs eine Verfügung zum Schutz ländlicher Parkanlagen erlassen, welche das Naturschutzgesetz in Bezug auf historische Gärten konkretisierte. Im Mai 1970 trat das Landeskulturgesetz an die Stelle des Naturschutzgesetzes von 1954 und machte damit auch die Verfügung von 1963 hinfällig. Im Sinne des Vordenkers Pniower entfernte sich das Landeskulturgesetz vom konservierenden Naturschutzgedanken. In einer ersten Durchführungsbestimmung zum Landeskulturgesetz wurde nun auch der Schutz von Parkanlagen neu geregelt. Demnach waren „Maßnahmen zu ihrer Gestaltung und Pflege zu beschließen und durchzuführen. Weiterhin ist von den Räten zu sichern, daß der Charakter der Parks erhalten oder wiederhergestellt wird.“
Während der Schutz nach dem Landeskulturgesetz in den 1970er und 1980er Jahren vor allem für die so genannten „ländlichen Parkanlagen“ in Frage kam, waren die Gartendenkmale in den Städten durch die Denkmalschutzverordnung von 1961 bzw. das Denkmalpflege-Gesetz der DDR aus dem Jahre 1975 erfasst. Naturschutzrechtliche Bestimmungen waren auf dem Gelände historischer Parks und Gärten unwirksam, was die Arbeit der Gartendenkmalpflege – nicht zuletzt bei der Erneuerung von Alleen – entscheidend erleichterte. Als im Mai 1981 eine zentrale Baumschutzverordnung erlassen wurde, welche die unberechtigte Schädigung oder Entfernung von Bäumen ab einem Stammdurchmesser von 10 cm untersagte, drohte dieser Vorteil untergraben zu werden. Hugo Namslauer wies in einem Kommentar 1982 darauf hin, welche Unklarheiten sich für Gartendenkmale nun ergaben, da sie nicht bereits im Geltungsbereich unmissverständlich ausgeklammert waren. Die nachträglich eingefügte Ergänzung, dass die Bestimmungen des Denkmalpflegegesetzes und seiner Durchführungsbestimmungen von der Baumschutz-Verordnung ausdrücklich unberührt blieben, war von Gartendenkmalpflegern um Detlef Karg in mühsamer Überzeugungsarbeit erfochten worden. Die eindeutige Abgrenzung zwischen Denkmal- und Naturschutzinteressen gehört zu den entscheidend begünstigenden Faktoren im Umgang mit Alleen in den Gartendenkmalen der DDR, weil sie Kompetenzstreitigkeiten von vornherein ausräumte und den jeweiligen Schutzinteressen klar definierte Betätigungsfelder zuwies. Aufgrund ihres dynamischen Erhaltungsverständnisses wurden von der Gartendenkmalpflege Refugien von außerordentlicher stadt- und naturräumlicher Qualität geschaffen, während eine statische Bewahrungsabsicht der sterbenden Alleen letztlich zu deren Verlust hätte führen müssen.
Neben diesem gesetzlichen Vorteil muss bei der Suche nach Gründen für die erfolgreiche Regeneration von Alleen in der DDR schließlich die entscheidende Rolle der Akteure hervorgehoben werden. In der Frühphase war es vor allem Hermann Schüttauf, der die Aufmerksamkeit der gartendenkmalpflegerischen Tätigkeit unmissverständlich auf das räumliche Gerüst lenkte, das in Park und Garten in erster Linie durch die Gehölze, durch Baumgruppen und Solitäre, Baumreihen und eben Alleen gebildet wird. Mit der konsequenten Erneuerung von Alleen leistete er Vorbildliches; in unermüdlicher ehrenamtlicher Arbeit vermittelte er seine Erfahrungen zudem der nachfolgenden Generation. Jene pflegte in beruflicher wie in ehrenamtlicher Tätigkeit diese Tradition umfassender Erneuerungsstrategien von Alleen, wenngleich Schüttaufs sonstige gartendenkmalpflegerische Auffassungen eine teilweise Revidierung erfuhren.
Heute ist die umfassende Verjüngung ganzer Alleen im Zuge des gewachsenen Umweltbewusstseins in der Öffentlichkeit sowie gestärkter, wiederum oft statisch interpretierter Naturschutzinteressen eine seltene Ausnahme geworden. Nicht zuletzt auch infolge einer stärkeren Achtung des Alterswertes und der Vielschichtigkeit unserer Gartendenkmale gehört der komplette Austausch einer Allee beinahe vollständig der Vergangenheit an. Die beschriebenen, in sich geschlossenen Alleen sind damit ebenso beredter Ausdruck ihrer Entstehungszeit von 1945 bis 1989, wie die ungleichaltrigen Alleebestände von unseren gegenwärtigen Gesellschaftsverhältnissen, ihren Natur- und Denkmalschutzauffassungen berichten.